Wer nach einer Definition von New Work sucht, findet verschiedene Interpretationen. Was genau verstehen Sie unter dem Begriff?
Es wäre eine massive Verkürzung, New Work nur als Homeoffice oder neue Führung zu beschreiben. Vielmehr geht es darum, die negativen Aspekte von Arbeit zu minimieren. New Work verbinde ich daher mit besserem Arbeiten und besseren Arbeitsbedingungen. Das umfasst verschiedene Aspekte, zum Beispiel die Verbesserung des Gesundheitsschutzes, die sinnvolle Nutzung der Digitalisierung und die Möglichkeit, neue Arbeitszeitmodelle zu finden. Mit dieser Definition kommt New Work auch weg von der Vorstellung, dass Digitale Natives in Coworking-Spaces sitzen und Latte Macchiato trinken. New Work ist eine Antwort auf Megatrends wie den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel.
Damit New Work in der Praxis funktioniert, braucht es auch New Leadership – also moderne Führungskräfte, die an die Prinzipien von New Work glauben. Welche Kompetenzen sind da gefragt?
Führungskräfte müssen zunächst ein Interesse daran haben, ihren Mitarbeitenden die Arbeit so angenehm wie möglich zu machen. Das geht einher mit der Fähigkeit, die richtigen Menschen zu rekrutieren: Gemeint sind damit Mitarbeitende, die New Work nicht ausnutzen, sondern als Motivation sehen. Zum Beispiel sind in Unternehmen mit einer funktionierenden Vier-Tage-Woche die Mitarbeitenden häufig produktiver, als sie es zuvor an fünf Tagen waren. Auch werden gute Erfahrungen mit der Nutzung von Remote Work beispielsweise in Coworking-Spaces gemacht. Damit solche flexiblen Arbeitsmodelle oder andere Aspekte von New Work funktionieren, müssen Führungskräfte dem eigenen Team vertrauen. Eine zwanghafte Kontrolle, etwa durch ständige Anrufe, passt nicht mit New Work zusammen. Zudem müssen Führungskräfte gute Netzwerker und Kommunikatoren sein, die aber auch die Grenzen von New Work erkennen.
Wo kommt New Work denn an seine Grenzen?
Die größte Gefahr ist, dass bei New Work die Arbeitswelt und die private Welt immer mehr verschwimmen. Dann kann es zu Selbstausbeutung und einem höheren Stressempfinden kommen. Eine gute Tagesstruktur und ein gutes Pausenmanagement sind daher wichtig. Führungskräfte müssen eine Unternehmenskultur schaffen, die solch ein Verhalten nicht befeuert. Sie müssen klare Regeln aufsetzen, indem sie Dos and Don’ts kreieren. Auch die Erwartungen müssen klar kommuniziert werden: von der Führungskraft an die Mitarbeitenden, aber auch andersherum. Denn New Work und Regeln passen durchaus gut zusammen.
Sind klare Regeln aber nicht auch ein Zeichen für weniger Vertrauen, auf das es bei New Work und New Leadership ja auch ankommt?
Nein, New Work bedeutet nicht, dass altbewährte Mechanismen wie regelmäßige Gespräche mit Mitarbeitenden und Zielvereinbarungen plötzlich obsolet sind. Der Weg wird den Menschen freier gestellt, sie müssen sich aber noch daran messen lassen, ob sie ihre Ziele erreicht haben. Daran lässt sich dann beispielsweise ein bedingtes Belohnungsmanagement knüpfen: Wer gut performt, bekommt mehr Vertrauen und darf mehr Verantwortung übernehmen. Das birgt auch Potenzial für neue Formen der Bindung von Mitarbeitenden, die dann neue Möglichkeit haben, sich im Unternehmen einzubringen. Bei schlechter Performance kann jedoch auch Vertrauen zurückgenommen und wieder mehr unterstützt werden.
Wenn Führungskräfte im Sinne von New Work mehr Verantwortung abgeben, wirft das auch die Frage nach einer fairen Bezahlung auf. Wie könnten alternative Entlohnungsmodelle aussehen?
In vielen Firmen ist das Bezahlen nach Stunden nicht mehr aktuell. Ich glaube, New Work ist eine große Chance, Gehaltsunterschiede anzupassen und die Lohnspreizung in gewisser Weise zu egalisieren. Wichtige Treiber sind in diesem Zusammenhang Transparenz und Eigenverantwortlichkeit. Es gibt zum Beispiel Modelle, da bestimmen Mitarbeitende und das Team das Gehalt selbst.