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KI im Fokus: FOM Expertinnen und Experten im Interview

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Wirtschaftspsychologin blickt auf aktuelle Entwicklungen

KI und Veränderungen in der Arbeitswelt

08.08.2023 | Berlin

Künstliche Intelligenz und Programme wie ChatGPT sind derzeit in aller Munde - auch in der Arbeitswelt. Das bringt viele Veränderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit sich. Durch die rasanten Entwicklungen befürchten nun auch Beschäftigte, die sich noch vor Kurzem keine Gedanken gemacht haben, dass sie möglicherweise ersetzt werden könnten, weiß Prof. Dr. Katharina Sachse, FOM Professorin für Wirtschaftspsychologie. Im Interview beantwortet Sie Fragen zu veränderten Arbeitsbedingungen- und aufgaben, die mit KI einhergehen.  

Wie könnte unser Weg aussehen, mit der KI und Programmen wie ChatGPT zusammen zu arbeiten?
Ich denke wir müssen ein gesundes Mittelmaß aus Euphorie und Panik finden. Die KI kann uns Teile der Arbeit abnehmen und diese beschleunigen, aber am Ende muss ein Mensch die Ergebnisse überprüfen oder korrigieren. Das ist eine schwierige Aufgabe. Wir brauchen die Expertise, um die Resultate der KI beurteilen und überprüfen zu können. Ich denke dadurch steigen eher die Anforderungen an die Beschäftigten. Aus meiner Sicht erfordert eine Prüfung noch mehr Qualifikation, zumal in der Regel nicht transparent ist, wie die KI zu ihrer Entscheidung gekommen ist.

 

Wie kann die KI in der Arbeitswelt eingesetzt werden?
Es finden einige Veränderungsprozesse in der Arbeits- und Organisationswelt statt, da KI sehr vielseitig eingesetzt werden kann. Im Speziellen schaut man dann, was macht KI mit einzelnen Arbeitstätigkeiten. Ein Beispiel ist das Recruiting. Es gibt schon länger Tools, die Bewerbungsunterlagen sichten und eine Shortlist mit den geeignetsten Kandidatinnen und Kandidaten erstellen. Das ist eine typische Aufgabe von Personalerinnen und Personalern, die durch KI ersetzt werden kann. Aber auch da bleibt die Frage: wollen wir uns darauf verlassen? Ist das rechtssicher? Personalentscheidungen müssen begründet werden können. In so einem Fall muss man nachvollziehen können, wie die KI ihre Entscheidung über eine Bewerberin getroffen hat – und das kann man oft nicht.

 

Wo sehen Sie bei Ihrem Beispiel Risiken und Nachteile?
Es besteht die Hoffnung, dass mit der Verwendung von KI Entscheidungen in der Personalabteilung freier von Diskriminierung ablaufen, da Menschen systematische Urteilsfehler begehen. Aber Fehler macht die KI auch – je nachdem, wie sie trainiert wurde, kommt es auch hier zu Diskriminierung oder Entscheidungen aufgrund falscher Kriterien. Als Mensch kann ich Urteilsverzerrungen bewusst entgegenwirken, indem ich mich bei der Personalauswahl nicht auf mein Bauchgefühl, sondern auf valide Verfahren verlasse. Beim Einsatz von KI habe ich diesen Einfluss nicht.

 

Wo sehen Sie Vorteile?
Digitale Tools können Routineaufgaben erledigen, die oft viel Zeit in Anspruch nehmen, beispielsweise den E-Mail-Verkehr mit den Bewerberinnen und Bewerbern. So bleibt mehr Zeit für anspruchsvollere Tätigkeiten, wie die Konzeption der Interviews für die Personalauswahl. Bei solchen Aufgaben können wir unsere Kompetenzen voll einsetzen, allerdings fordern sie uns auch mehr.

 

Welche neuen Herausforderungen ergeben sich für Führungskräfte und wie können diese erfolgreich bewältigt werden?
Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz befähigen und sensibilisieren, das gilt zum Beispiel auch für den Datenschutz. Nehmen wir mal an, dass ein Personaler eine fremdsprachige Bewerbung kopiert und in ein Übersetzungstool wie Google Translator oder DeepL lädt. Das ist nicht datenschutzgerecht. Die Verantwortung liegt bei den Unternehmen aufzuklären und Wissen über den Umgang mit KI zu vermitteln. Dafür müssen die Führungskräfte zunächst selbst befähigt werden, KI-Tools sinnvoll einzusetzen.


Prof. Dr. Katharina Sachse lehrt im

Master-Studiengang Wirtschaftspsychologie (M.Sc.)

Die KI-Mensch-Interaktion gewinnt in der modernen Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung. Ob im Recruiting oder in der Führungspsychologie: Im Master-Studiengang Wirtschaftspsychologie (M.Sc.) vertiefen Sie Ihr Wissen und setzen Sich auch mit dem Einfluss von KI auseinander. 

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Was können Unternehmen noch allgemein tun, um ihren Mitarbeitern negative Gedanken zu nehmen?
Unternehmen müssen ihre Beschäftigten abholen und bei der Einführung von KI mitnehmen. Auf der einen Seite müssen sie ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vermitteln, wieso dieses oder jenes KI-Tool nützlich ist und welche Vorteile es für das Unternehmen und die Beschäftigten gibt. Zum anderen müssen sie die Beschäftigten schulen, mit den Tools gut umzugehen. Das sind zwei Punkte, die erfüllt sein müssen, damit eine solche Technik überhaupt akzeptiert wird. Außerdem sollte deutlich gemacht werden, dass die Expertise der Beschäftigten nach wie vor wichtig ist und nicht durch KI ersetzt wird. So können Unternehmen auch Sorgen, Ängsten und Bedenken entgegenwirken.

 

Wie können Arbeitnehmer mit solchen Entwicklungen am besten umgehen?
Ich würde da nicht die Arbeitnehmenden in der Pflicht sehen, sondern die Arbeitgeber, denn diese gestalten die Arbeitsbedingungen. Anforderungsvielfalt und Handlungsspielraum sind dabei zwei wichtige Aspekte. Die Arbeitnehmenden sollten nicht nur noch als Kontrolleure der KI fungieren oder für die Aufgaben eingesetzt werden, die die KI nicht übernehmen kann, sondern mit der KI gemeinsam arbeiten. Dabei sollten sie entscheiden können, für welche Aufgaben sie die Unterstützung von KI nutzen möchten und für welche nicht. Ein weiterer Aspekt ist die erlebte Bedeutsamkeit oder Sinnhaftigkeit: Empfinde ich das sinnvoll, was ich hier mache? Hier bietet KI auch Chancen, wenn sie Aufgaben übernimmt, die bisher eher als notwendiges Übel angesehen wurden, beispielsweise Dokumentationspflichten. Wichtig ist, dass die Beschäftigten bei der Neuorganisation der Aufgaben involviert werden und sich im Umgang mit der KI kompetent fühlen. Dafür muss der Arbeitgeber sorgen, zum Beispiel durch Schulungen.

 

Können Sie eine ungefähre Prognose geben, welche Folgen die zunehmende Verbreitung von KI für die Arbeitswelt haben wird?
KI ist nur eine Form der Digitalisierung. In den letzten Jahren haben wir schon gesehen, wie rasant sich die Arbeitswelt aufgrund der Digitalisierung gewandelt hat. Krankenkassendaten zeigen, dass der Stress und psychische Erkrankungen zugenommen haben. Natürlich ist an dieser Entwicklung nicht nur die Arbeitswelt Schuld, aber es gibt schon Anhaltspunkte, die erkennen lassen, dass durch die Veränderung der Arbeitswelt das Risiko psychisch zu erkranken größer wird. Wir haben viel mehr Zeitdruck und sind rund um die Uhr erreichbar. Muskel-Skelett-Erkrankungen sind dafür zurück gegangen, denn körperliche Arbeiten wurden durch die Technologie erleichtert. Bei allen Chancen, die die KI für Unternehmen bietet, sollten die Folgen für die Beschäftigten im Blick behalten werden. 

 

Das Interview führte Leandra Stampoulis.