Die Referentinnen und Referenten des KI Symposiums

Die Referentinnen und Referenten des KI-Symposium der FOM in Hamburg (Foto: FOM)

KI-Symposium an der FOM in Hamburg: „Wie Künstliche Intelligenz unser Leben prägt“

Sechs Stunden geballtes KI-Wissen: Update zum Technikthema der Stunde

Was macht den Dialog mit ChatGPT so menschenähnlich? Kann Künstliche Intelligenz Empathie lernen? Sollte man die rasante Entwicklung eindämmen, bis Rechtsfragen geklärt sind? Beim KI-Symposium am FOM Hochschulzentrum in Hamburg sorgten sieben kompakte Fachvorträge für lebhaftes Interesse und zahlreiche Fragen der rund 120 Teilnehmenden. Initiiert hatte die Veranstaltung FOM Professor und KI-Experte Dr. Markus H. Dahm, Herausgeber des Buchs „Wie Künstliche Intelligenz unser Leben prägt“. Alle Referierenden hatten an dem Ende November 2022 erschienenen Werk (Haufe-Verlag) mitgewirkt.

„Als das Buch erschien, gab es ChatGPT noch nicht“, erklärte Prof. Dr. Dahm bei der Begrüßung. Seit November 2022 befeuert das Sprachmodell weltweit das Interesse an Künstlicher Intelligenz und löst Begeisterung wie Bedenken aus – und viel Informationsbedarf. Der perfekte Zeitpunkt für dieses Symposium, freute sich die Hamburger FOM Gesamt-Geschäftsleiterin Dr. Sabine Quirrenbach. Christoph Hohoff, FOM Vizekanzler Forschungsorganisation, erinnerte eingangs an ähnliche Gemengelagen in früheren Umbruchzeiten, etwa bei der Ablösung der Rechenschieber durch Taschenrechner mit Logarithmus-Funktion in den 1970ern und die ersten Notebooks vor dreißig Jahren.

Chancen und Nutzen von „General AI“

GPT, die Künstliche Intelligenz hinter ChatGPT, könne durch ihr umfassendes Sprachverständnis und ihre Fähigkeit, logische Schlussfolgerungen zu ziehen als „General AI“, d. h. als Allgemeine Künstliche Intelligenz betrachtet werden, berichtete Dr. Yasar Goedecke, Head of Analytics & Artificial Intelligence bei der Lufthansa Technik AG, in seinem Vortrag. Für diese KI nutzen Entwicklerinnen und Entwickler Erfolgsrezepte des menschlichen Gehirns: neuronale Netze, die Verschaltung spezialisierter Bereiche und das Prinzip der Aufmerksamkeit („Attention is all you need“), mit dessen Hilfe präzisere Ergebnisse erzielt sowie Rechenleistung und damit Energie eingespart werden. Die meisten derzeit existierenden Künstlichen Intelligenzen seien jedoch „schwache KIs“, die nur wenige spezielle Aufgaben lösen können, so der Physiker, der in Sachen KI noch ein spannendes Jahr erwartet: „Wir werden neue General KIs sehen und vielleicht bald eine Künstliche Intelligenz, die an die menschliche heranreicht.“

Auch Werner Bogula, Digital Enabler des Artificial Intelligence Center e.V. (ARIC), trug zum Verständnis von Sprach-KIs wie ChatGPT bei. Seit 2017 gibt es Texte generierende Sprachsysteme, doch erst seit 2022 verfüge ChatGPT über ein Konversationsgedächtnis, das den Dialog menschenähnlich mache, so der KI-Experte. User-Bewertungen und langfristiges Feedback verbesserten die Performance kontinuierlich. Den größten praktischen Nutzen von „General KIs“ sieht Werner Bogula im Sortieren und Ranken großer Textmengen, das Menschen viel Arbeit abnehmen könne.

Eben diese Leistung betrachtet der Prager Rechtsanwalt Jiri Janousek als große Chance auch für das Rechtswesen. Als juristisches Assistenzsystem könne Künstliche Intelligenz die Rechtsprechung beschleunigen, möglicherweise auch, indem es Begründungen auf der Grundlage von Gesetzen formuliere. Dass KI menschliche Richter ersetzen wird, hält der Anwalt in absehbarer Zeit für wenig wahrscheinlich: Ihr fehle (noch) die unverzichtbare moralische Komponente der Rechtsprechung. Diese illustrierte Jiri Janousek am Beispiel eines Beschlusses des Prager Obergerichts, der individuelle Lebensumstände und das Konzept der „guten Sitten“ in seine Begründung einbezog.

KI in Verwaltung, Logistik, Luftfahrt und Lehre

Wie KI heute in der Verwaltung genutzt wird, stellte ARIC CEO Alois Krtil am Beispiel Estlands dar. Dort spart beispielsweise ein KI-System namens SATIKAS Zeit und Kosten bei der Kontrolle von EU-Agrarsubventionen ein. Dabei teilt es ermittelte Daten mit den Landwirten, die zudem Erinnerungshilfen erhalten, etwa wenn sie Mähvorgaben noch nicht erfüllt haben. Das große Vertrauen der estnischen Bürgerinnen und Bürger in ihre Verwaltung habe dazu beigetragen, diesen hohen Grad an Digitalisierung zu ermöglichen, so Alois Krtil, der auch die Rahmenbedingungen für eine verantwortungsbewusste, verlässliche und vertrauenswürdige KI in der öffentlichen Verwaltung aus dem Entwurf des EU-AI-Acts erläuterte.

Wie die Logistikbranche durch KI nachhaltiger werden kann, beschrieb Dr. Vanessa Just. Drohnen hätten damit eher wenig zu tun, erklärte die Bereichsleiterin Business Development bei neusta analytics & insights & CEO jus. TECH, die auch Vorständin des KI-Bundesverbands ist. Sie zeigte das vielfältige Optimierungspotential auf – von der automatisierten Fehlererkennung in den Stammdaten über wegeorientierte Artikelpositionierung, Personaleinsatz, Nachschubsteuerung, Produkterkennung bei Retouren, Lagerverwaltung mit Chatbots und anderen. Besonders beim Routen- und Lastenmanagement sieht sie große Chancen für Logistikunternehmen, mit KI in Sachen Nachhaltigkeit aufzuholen und zugleich Kosten einzusparen: „Rechenbar, das ist auch im Mittelstand immer ein super Argument!“

Einen Einblick in KI-Ziele der Luftfahrt gab Dr. Kevin Poole von der Lufthansa Technik AG. Das Unternehmen strebt an, lernende Systeme für die prädiktive Instandhaltung zu nutzen, so der Senior Project Manager Data Science & Artificial Intelligence. Derzeit entwickelt das Unternehmen einen Algorithmus für Vorhersage-Verbesserungen, um Flugzeugsysteme – wie z.B. Triebwerke – künftig zu überholen, bevor sie defekt sind. Die AG treibt die Entwicklung mit einem zentralen KI & Analytics Team und parallel dazu mit dezentralen KI-Teams in Unternehmenssegmenten voran. Eine hauseigene KI-Plattform begünstigt Synergien.

Nahezu überall hält KI derzeit Einzug – aber wie kann es gelingen, dass die Gesellschaft mit der rasanten Entwicklung Schritt hält? Für Uwe Neuhaus vom Projekt AIEduLab der Europa-Universität Flensburg liegt der Schlüssel zu einer nachhaltigen KI-Bildung in der Lehrkräfte-Ausbildung. An der Europa-Universität hat KI in Lehramtsstudiengängen bereits einen festen Platz: Die Studierenden probieren sie als Kreativmaschine aus, die zum Beispiel einen Lückentext für den Unterricht erstellen kann. Vor allem gehe es darum, dass sie das Prinzip verstehen, die Konsequenzen begreifen und die Erkenntnisse Kindern vermitteln, so Uwe Neuhaus. Mit seinem AIEduLab-Team engagiert er sich zudem für eine niederschwellige KI-Bildung für alle, damit sich KI-Kompetenz schnell verbreitet.

Wie sehr die inhaltsreichen Vorträge die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des FOM Symposiums angesprochen hatten, zeigte auch ihr Durchhaltevermögen: Während des sechsstündigen Programms lichteten sich die Reihen im Hörsaal kaum. Auch beim anschließenden Get-together fanden sich noch viele zusammen, um sich weiter angeregt auszutauschen – bei einer Stärkung am Buffet und mit einem kühlen Getränk.