Um 3.30 Uhr klingelt sein Wecker. Besser gesagt: vier Wecker. Alle außer Reichweite des Betts. Sener Yilmaz würde sich am liebsten nochmal umdrehen, doch seine Frau stupst ihn an. Jetzt bellt auch noch der Hund. „Alle sind wach, nur ich nicht“, lacht der 36-Jährige. Frühschicht, das heißt für ihn: Der Bus fährt um 4.15 Uhr in Dorfen ab und kommt gut eine Stunde später am 50 Kilometer entfernten BMW Werk in München an. Arbeitsbeginn ist um 5.45 Uhr. „Ich habe schon oft überlegt nach München zu ziehen, doch ich bin hier in Dorfen im Landkreis Erding geboren und aufgewachsen, und hier gefällt es mir am besten“, sagt Sener. Dafür nimmt er die zwölf Stunden gerne in Kauf, die seinen Arbeitstag mit Pendeln und Arbeitszeit füllen. Die Fahrt mit dem Bus empfindet Sener als „chillig“. Besonders, wenn es heim geht, denn jetzt hat er nach der Frühschicht und vor der Spätschicht auch endlich wieder Zeit fürs Privatleben.
Glücksfall Brasilien
In den vergangenen Jahren sah das anders aus. Sener Yilmaz absolvierte ein Doppelprogramm: Schichtarbeit bei BMW und parallel dazu ein berufsbegleitendes Studium an der FOM in München. Mit dem Studieren hatte es der Oberbayer nach dem Abitur zwar schon einmal versucht. Maschinenbau. Doch das Studium war ihm zu trocken. Nach einem Jahr brach er es ab. Um Geld zu verdienen und herauszufinden, was er eigentlich machen wollte, begann er, als Zeitarbeitskraft bei BMW in München zu jobben. Zwei Jahre später bot man ihm eine Festanstellung an – er überlegte nicht lang. „Wenn ich schon mit einem Fuß im Unternehmen bin, dann schaue ich, dass ich intern weiterkomme“, war seine Überlegung. Als Produktionsmitarbeiter in der Fertigungslinie bekam er die nächste Chance: ein Projekt in Brasilien. Ein Jahr lang sollte er dort in einem nagelneuen BMW Werk Mitarbeitende fachlich qualifizieren. Sener sagte schnell zu. „Ein Glücksfall“, wie er heute meint. Als Sprachtalent mit den Muttersprachen Türkisch und Deutsch war er in der Schule auch gut in Englisch und Französisch. So fiel ihm das Portugiesischlernen ebenfalls nicht schwer. Die vielfältigen Aufgaben in Brasilien bereitete ihm großen Spaß. Und das Beste: Er lernte seine zukünftige Frau kennen.
FOM Studium als Rettung nach der Rückkehr
Wieder zurück an der Produktionslinie in München war dem jungen Mann schnell klar, dass er diesen Job langfristig nicht weiter machen könne. „Nach einer so spannenden Zeit mit vielen neuen Herausforderungen und Erfahrungen wollte ich einfach mehr für meine berufliche Zukunft.“ Da ihn der Gedanke an ein Studium nie wirklich losgelassen hatte, entschied er sich, berufsbegleitend „Wirtschaftsingenieurwesen“ an der FOM in München zu studieren. „Schwierige Matheaufgaben nach Dienstschluss zu lösen, das war für mich der perfekte Ausgleich zur Arbeit“, erklärt Sener. Die neue Herausforderung zahlte sich schnell aus: Er wurde zum Vertreter des Vorarbeiters befördert und arbeitete in einem neuen Projekt zur digitalen Fabrikplanung mit – ein Thema, das er parallel auch an der FOM lernte. „Dabei konnte ich mein Wissen aus dem Studium sofort einsetzen und neue Ideen einbringen, das hat perfekt gepasst“, so Sener. Weitere Türen öffneten sich für ihn: Schon vor dem Bachelor-Abschuss stieg er zum Vorarbeiter in der Achsmontage auf und nur wenige Monate später wurde er zum Fertigungsmeister, der rund 60 Mitarbeitende verantwortet, ernannt. Die Nähe zu seinem Team sei dem Dorfener auch heute noch sehr wichtig, betont er, selbst wenn ein Frühschicht-Tag immer „sehr voll“ sei. Sener begrüßt jeden persönlich und ist trotz vieler planerischer Tätigkeiten am Computer täglich in der Produktionslinie unterwegs.
Großvater und Vater arbeiteten schon bei BMW
Bei dem Münchner Autobauer sieht er auch seine berufliche Zukunft, in der er gerne in die Fabrikplanung gehen würde. Die Verbundenheit zum Unternehmen liegt ihm wohl in den Genen. Sowohl sein Großvater als auch sein Vater arbeiteten dort jahrzehntelang. „Mein Großvater kam vor mehr als 40 Jahren mit meinem damals gerade volljährigen Vater aus der Türkei nach Deutschland, um Arbeit zu suchen. Beide landeten bei BMW in München.“ Wann immer sich die drei treffen, wird nur über die Arbeit gesprochen. Vielleicht ändert sich das ab kommendem März, wenn Sener zum ersten Mal selbst Papa wird. Der Nachwuchs ist auch der Grund, warum er sich nicht gleich nach dem Bachelor-Abschluss für ein berufsbegleitendes Master-Studium einschrieb, wie es ihm seine FOM Professoren empfohlen hatten. Erst in einem Jahr will Sener weiterstudieren. „Wenn ich an die Studienzeit zurückdenke, habe ich immer ein Lächeln im Gesicht“, sagt er glücklich.
Er ist überzeugt, auch das Master-Studium an der FOM mit Bravour zu schaffen. „Wenn ich eines gelernt habe im Leben, dann, dass mit Geduld und Hartnäckigkeit alles möglich ist.“