Prof. Dr. Fauth-Bühler, wir beobachten gerade die Rückkehr eines Phänomens, das uns vom Beginn der Coronakrise bekannt ist: Wie lassen sich Hamsterkäufe erklären?
In Krisenzeiten kann es vernünftig sein, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um sich auf Unwägbarkeiten einzustellen. Das Hamstern allerdings geht über das rationale Maß hinaus. Es kommt dabei zu einem Paradoxon: In der Erwartung, dass bestimmte Produkte knapp werden, werden diese übermäßig stark gekauft. So entsteht ein „Schneeballeffekt“, da immer mehr Menschen das Verhalten adaptieren und so zu einer Verknappung beitragen. In der Folge kommt es schließlich tatsächlich zu vorübergehenden Lieferengpässen.
Wir werden also Opfer unserer wahr werdenden Erwartungen?
Durch unser eigenes Verhalten begünstigen wir erst das Eintreten des befürchteten Ereignisses. Ein Phänomen, das in der Psychologie als „Selbsterfüllende Prophezeiung“ bezeichnet wird. Durch die Verknappung von Konsumgütern wird bei den Verbrauchern zudem psychologische Reaktanz erzeugt. Wir fühlen uns unserer Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Auswahl eines Konsumguts beraubt. Knappe Güter werden vom Kunden als attraktiver bewertet und der Kauf wird wahrscheinlicher. Dies trägt weiter zur Verknappung des Konsumgutes bei.
Gibt es weitere Faktoren, die bei Hamsterkäufen eine Rolle spielen?
Unkontrollierbare Situationen können Angst auslösen. Wenn wir für eine gegebene Situation keine Vorgaben haben, wie wir uns verhalten sollen, um mit der Bedrohung umzugehen, folgen wir unserem Herdentrieb. Wir orientieren uns an anderen, getreu dem Motto „Was alle tun, wird nicht verkehrt sein“. Aufgrund des Eindrucks mangelnder Selbstwirksamkeit in einer komplexen Welt vermittelt das Hamstern den Menschen außerdem ein Gefühl von „Kontrolle im Kleinen“. Die gefühlte Unsicherheit kann damit ein Stück weit kompensiert werden.