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Digital Native: Annie ist als Twitch-Streamerin aktiv und studiert "Marketing & Digitale Medien" an der FOM Hochschule in Augsburg. (Foto: privat)

Von der Industriemechatronikerin zur Expertin für Online-Marketing

„Ich wollte mehr"

21.02.2023 | Augsburg

Sie ist gelernte Industriemechatronikerin, erfolgreiche Streamerin auf Twitch und neuerdings auch Studentin an der FOM Hochschule. Die gebürtige Augsburgerin Anna-Maria hat sich mit 26 Jahren für eine zusätzliche akademische Ausbildung entschieden: das Bachelor-Studium „Marketing & Digitale Medien“ – obwohl die Wissenschaft nach ihrem Abitur für sie erst einmal nicht in Frage kam.

Doch zurück zu ihren beruflichen Anfängen: Anna-Maria, die von allen nur „Annie“ genannt wird, absolvierte eine Lehre zur Industriemechatronikerin im Augsburger Technopark. Die Arbeit in einem typischen Männerberuf gefiel ihr gut. „Ich war für den Bau von Prototypen für Betriebsmittel zuständig und es hat mir viel Spaß gemacht, wenn mein Meister mit einer Fuselarbeit zu mir kam“, erinnert sich Annie und lacht. Den Spaß musste sie sich während der Ausbildung allerdings hart erarbeiten. „Wir waren nur zwei Mädels unter 28 Jungs und wir mussten immer das Doppelte leisten, weil man nicht an uns glaubte. Selbst im dritten Lehrjahr wurden wir noch belächelt und es hieß, das schafft ihr eh nicht“, erinnert sie sich. Doch die junge Frau wusste, was sie konnte, und schloss ihre Lehre mit der Note 1,7 ab. „Ich dachte damals, ich bleibe hier bis zur Rente“, sagt sie. 

 

Selbstständig als Twitch-Streamerin

Mit Beginn der Corona-Pandemie hatte sie plötzlich unerwartet viel Zeit, ihrer persönlichen Leidenschaft nachzugehen: dem Zocken am Computer. Schon als Siebenjährige hatte sie die Gaming-Welt kennen- und lieben gelernt. Als sie dann 2020 viel Zeit am heimischen Computer verbrachte, animierten sie ihre Freunde, sich dabei zu filmen und ihre „Arbeit“ auf der interaktiven Livestreaming-Plattform Twitch zu veröffentlichen. Mit großem Erfolg. „Die erste Zeit lief bombastisch und über Abos verdiente ich plötzlich mehrere Hundert Euro im Monat“, berichtet Annie. Sie musste ein Gewerbe für Affiliate Marketing anmelden, ein Thema, mit dem sie sich bis dato nicht beschäftigt hatte. Auch da biss Annie sich durch, denn das Streamen gab ihr viel zurück. „Ich habe so viele Leute kennengelernt, die mir die Treue halten und auch viel von sich persönlich erzählen. Das ist etwas ganz Besonderes, eine Wertschätzung, die ich in meinem Ausbildungsberuf so nie erfahren habe“, berichtet die Augsburgerin. Einige engere Freunde, darunter Zeichner, Animierer und Chatkontrolleure, halfen ihr, das Business immer professioneller aufzustellen. 

 

„Die Themen sind so cool“

Doch Anfang 2022 wollte Annie mehr. Studieren, obwohl sie das nach dem Abitur noch kategorisch abgelehnt hatte. „Damals hatte ich einfach keine Lust mehr auf Lernen“, sagt Annie, jetzt sei das anders. „Irgendwann wollte ich mehr.“ Bei der Recherche nach passenden Studiengängen stieß sie auf das Bachelor-Studium „Marketing & Digitale Medien“ an der FOM Hochschule in Augsburg, das dort auch als Tages-Studium angeboten wird. Wissenschaftliche Inhalte mit praktischen Berufserfahrungen zu verknüpfen, erschien ihr als ideale Konstellation. Drei Tage arbeitet sie in einem Immobilienbüro und kümmert sich dort u.a. um den Internetauftritt. An den anderen beiden Tagen studiert sie. Ein Volltreffer, schwärmt sie, noch dazu an ihrem Heimatort. „Die Themen im Studiengang sind so cool und ich merke, dass das genau mein Bereich ist.“ In der Berufsschule habe sie sich nie gemeldet, an der FOM jedoch schnelle ständig ihr Finger hoch. Selbst Mathe – zu Schulzeiten noch ein Problem – falle ihr jetzt leicht. „Ich bin froh, dass ich schon einiges an Vorwissen habe und Dinge einordnen kann. Dadurch macht das Lernen mehr Spaß“, meint die Erstsemesterin.

 

 Selbst die Tatsache, dass sie als Studentin im Vergleich zu früher deutlich weniger verdient, schreckt sie nicht ab. „Während des Arbeitens habe ich Geld zur Seite gelegt, das nehme ich jetzt her.“ Der Verdienst aus ihrem Streaming-Gewerbe allerdings wird komplett ins Business reinvestiert. „Wenn die Leute schon ihr Geld bei mir lassen, sollen sie auch sehen, dass ich in Verbesserungen investiere“, meint Annie. Ob sie nun diesen Job bis zur Rente macht, steht erneut in den Sternen.