Prof. Dr. Katrin Keller

Interview mit FOM Professorin Dr. Katrin Keller

Bildungsexpertin zur Kultur der Digitalität: "Wir sind inmitten einer Transformation"

10.05.2022 | Koblenz

Professorin Dr. Katrin Keller ist Bildungswissenschaftlerin und Wissenschaftliche Gesamtstudienleiterin des FOM Hochschulzentrums in Koblenz. Zuletzt hat sie mit zwei weiteren FOM Forschenden die Digitale Hochschullehre im Gesundheits- und Sozialwesen untersucht. Im Interview spricht die Expertin für Bildung, Gesundheitspädagogik und Personalentwicklung über Chancen und Grenzen der Digitalisierung, daraus resultierende Anforderungen an Führungskräfte und die Frage, welche Vorteile das Studienzeitmodell „Präsenz & Digital“ Studierenden im Bachelor-Studiengang „Pflege“ bieten kann.

Die Corona-Pandemie gilt gemeinhin als Treiber der Digitalisierung. Stimmen Sie dieser Annahme aus Ihrer Sicht als Bildungswissenschaftlerin zu?
Grundsätzlich führt die Digitalisierung zu neuen Formen des Lehrens und Lernens, dieser Wandlungsprozess ist voll im Gange und wurde durch die Corona-Pandemie beschleunigt. Die übergeordnete Frage lautet dabei immer: Wie kann das gelingen? Maßstab muss dabei immer ein gerechter, ein integrierender Ansatz sein, der das Alte und das Neue verbindet. Es geht nie allein um die bloße Vermittlung von Inhalten, sondern auch immer um die Förderung individueller Kompetenzen. Das muss im Digitalen genauso gelten wie vor Ort.

Im Zuge der Digitalisierung wandelt sich die Arbeitswelt rasant. Welche Anforderungen hinsichtlich digitaler Kompetenzen stellt das an Fach- und Führungskräfte wie sie die FOM Hochschule ausbildet?

Wir sind inmitten einer Transformation, die alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst. Um dem Rechnung zu tragen, müssen insbesondere Führungskräfte über Medienkompetenz verfügen. Dabei geht es nicht allein darum, Wissen über die richtige Anwendung digitaler Werkzeuge zu erwerben. Denn ebenso wichtig sind weitere Fähigkeiten, die einen kritischen, reflektierenden und befähigenden Umgang mit den Möglichkeiten des Digitalen zulassen. 

Digitalisierung um der Digitalisierung Willen ist also wenig zielführend?
Die Frage muss immer sein: Was ist sinnvoll? Im Kontext der Bildung dürfen beispielsweise die unterschiedlichen Lerntypen nicht vergessen werden. Denn die Lernenden nehmen Inhalte unterschiedlich auf. Der visuelle Lerntyp benötigt beispielsweise Texte zum Lesen, Grafiken und Bilder, um Sachverhalte zu begreifen. Dementsprechend sinnvoll sind unterschiedliche Lehr- und Lernsettings, zugeschnitten auf die jeweilige Zielgruppe. Genau so braucht es in Unternehmen und anderen Organisationen individuelle Konzepte, die den jeweiligen Bedürfnissen Rechnung tragen. Digitalisierung um der Digitalisierung Willen kann tatsächlich nicht das Ziel sein.

Gemeinsam mit Prof. Dr. Dennis Klinkhammer und Prof. Dr. Eva-Maria Rottlaender haben Sie die digitale Hochschullehre im Gesundheits- und Sozialwesen untersucht. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
Eine unserer zentralen Erkenntnisse ist: Blended-Learning-Ansätze, also die Kombination aus Präsenz- und Online-Elementen, können eine gewinnbringende digitale Erweiterung und Ergänzung bestehender Lehr-Lern-Settings sein. An der FOM in Koblenz wird der Ansatz beispielsweise im Bachelor-Studiengang „Pflege“ im Studienzeitmodell „Präsenz & Digital“ verfolgt. Das Modell bietet gerade Studierenden, die im Schichtdienst arbeiten, große Flexibilität. Mit Angeboten wie Online-Sprechstunden, angeleitetem E-Learning und weiteren Lernmedien kann das Eigenstudium flexibel gestaltet werden. Beim Einsatz digitaler Lehre braucht es darüber hinaus immer eine „Kultur der Digitalität“ – also eine innere Haltung für den zielgruppen- sowie kompetenzbasierten Einsatz von digitalen Medien in Lehr- und Lernsettings. Bei der Umsetzung in der Praxis bedeutet das für mich auch: Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entzünden.

Zur Person

Prof. Dr. Katrin Keller ist Wissenschaftliche Gesamtstudienleiterin des FOM Hochschulzentrums in Koblenz. Die FOM Professorin für Gesundheitspädagogik und Personalentwicklung arbeitet zudem als freiberufliche Trainerin und Beraterin mit dem Schwerpunkt Personal- und Organisationsentwicklung. Zuletzt bei Springer erschienen ist ihre Publikation „Digitale Hochschullehre im Gesundheits- und Sozialwesen - Empirische Befunde zu Blended-Learning-Ansätzen“, die sie gemeinsam mit Prof. Dr. Dennis Klinkhammer und Prof. Dr. Eva-Maria Rottlaender erarbeitet hat.